Sentinel Lymphknotenbiopsie (SNB) bei Malignem Melanom
Eine Beeinflussung der individuellen Melanom-Erkrankung durch generelle (immer erfolgende) Entfernung der ableitenden Lymphknoten konnte in zahlreichen Studien nicht festgestellt werden, sicher hingegen sind die Folgeschäden wie chronischer Lymphstau in Arm oder Bein.
Aus diesem Grund hat man sich die SNB ausgedacht, um dem Patienten die große Operation zu ersparen, wenn er sowieso tumorfreie Lymphknoten hat. Die SNB ist ein operativer Eingriff bei Patienten, der entweder während oder kurz nach der Operation des Hauttumors erfolgt.
Stunden nach Injektion eines radioaktiven Materials in die Tumorumgebung kann der sog. Schildwächter-Lymphknoten (SN) identifiziert und herausgenommen werden. Er stellt die erste Filterstation der Lymphe aus dem Tumor dar. Die Operation ist relativ unaufwendig und hat kaum Komplikationen oder Folgeschäden.
Nachdem nun festgestellt worden war, dass die radikale Lymph-OP nur schadet, war der patientenfreundlichere nächste Ansatz also nur dann eine große Lymphknotenausräumung, wenn die SNB Tumorbefall zeigt. Hier wurde eine große Studie aufgelegt: MSLT I. In ihr bekamen Patienten mit mitteldicken Melanomen (1,2-3,5mm) und ohne tastbare Lymphknoten entweder
- eine SNB mit nachfolgender radikaler Lymph-OP bei positiver Histologie oder
- nur Nachkontrollen – aber eine Lymph-OP, wenn sich Tumorabsiedlungen tasten ließen.
Nach 5 Jahren fand sich kein Unterschied im Langzeitüberleben. Weitere Studien konnten dies bestätigen.
Was ist dann überhaupt noch Sinn der SNB?
Durch die feingewebliche Untersuchung dieses einen Lymphknotens kann die Voraussage (Prognose) zum weiteren Verlauf der Tumorerkrankung genauer gestellt werden.
Das Ergebnis dieser LSB ist entweder Lymphknoten ist befallen oder ist tumorfrei. In erheblicher Abhängigkeit von weiteren Umständen, wie Alter des Patienten, Dicke des Tumors und festgestellter Ulceration (Geschwürsbildung) des Tumors wird die Prognose beeinflusst.
Metastasenfreier Lymphknoten hört sich zwar gut an, aber ein 60jähriger Mann, mit einem ulcerierten, 4mm dicken Melanom am Rücken hat sowieso eine 62,9%ige Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten 15 Jahre an seinem Melanom zu versterben. Ist der SN tumorfrei, verringert sich die Sterbewahrscheinlichkeit auf 54,8%, bei tumorhaltigem SN vergrößert sich die Sterbewahrscheinlichkeit auf 63,9%. Hier ist der Gewinn an Sicherheit vernachlässigbar, und die Lymphknotenbiopsie kann genauso gut unterbleiben..
Ein 30jähriger Mann mit einem 2mm dicken Melanom hat ohne Kenntnis des Lymphknotenstatus eine Sterbewahrscheinlichkeit von 16,4%. Bei tumor-negativem SN verbessert sich das nur auf 13,4%, bei Befall des SN verschlechtert es sich allerdings auf 30,8%. Dies Ergebnis beeinflusst schon die Lebensplanung.
Das Argument, eine SNB hilft bei der Therapieplanung für den weiteren Verlauf der Erkrankung zielt zur Zeit (2010) immer noch ins Leere – weil es keine Therapie gibt, die einen Überlebensvorteil bringt. Selbst wenn die Therapie mit Interferon in ersten Studien einige Monate verlängertes Krankheitsfreies Überleben gebracht haben (ein Ergebnis, was sich mit längerer Beobachtungsdauer immer mehr verflüchtigt) ist das mit einer extremen Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens aufgrund der Nebenwirkungen gekoppelt. Und das „krankheitsfreie Überleben“ war auch nicht mit einer verlängerten Lebensdauer gekoppelt – nur mit schweren grippeartigen Symptomen an 3 von 7 Tagen der Woche, es war mehr „melanomfreies krankes Überleben“.
Auch SNB bei Patienten mit zwar dünnen (<1mm) aber entweder ulcerierten, regressiven oder Clark-Level 4 und 5 (das sind weitere unabhängige Risikofaktoren ) Melanomen hatte keinen Überlebenseffekt in Abhängigkeit vom Ergebnis der SNB. Hier könnte die SNB ebenfalls unterbleiben.
Also, auch wenn es so schwer in den Kopf will, nach bisherigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen bringt es dem Patienten für sein Überleben möglicherweise nichts, wenn ein metastasenhaltiger Lymphknoten entfernt wurde, obwohl er ja jetzt weniger Tumor (oder keinen mehr) im Körper haben müsste, es gibt allerdings Wissenschaftler, die in Untergruppen nach 5 Jahren einen Vorteil für Operierte sehen. Dieser Vorteil ist aber nicht so groß, daß er ohne viel Statistik ins Auge fällt und so unauffällig, dass es in Fachkreisen immer noch erbitterte Debatten über die Wertigkeit der SNB gibt.
Vielleicht liegt es ja daran, dass Metastasen nicht metastasieren und dass das Schicksal tatsächlich nur davon abhängt, ob der Primärtumor vor seiner Entfernung bereits Absiedlungen bilden konnte. Der positive SN wäre dann nur ein Spiegelbild dieser Fähigkeit.
Aufgrund des hier sichtbaren Kommentars von S.M. betone ich noch einmal, daß ich nicht von der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie abrate, ich veranlasse sie selbst bei meinen Patienten. Ich möchte nur klarstellen, daß es leider wahrscheinlich kein Heilmittel sondern bisher „nur“ ein Prognoseverfahren ist, und daß wir weiterhin hier klinische Studien durchführen müssen, um unseren Patienten den grösstmöglichen Nutzen bei den geringsten Nebenwirkungen anbieten zu können.
Ich war letztens beim Hautarzt München Innenstadt und dieser sprach mich auf meine zahlreichen Muttermale an und ich solle doch einmal sicherheitshalber eine Hautkrebsvorsorge machen. Also tat ich dies und wollte euch meine Rechenren diesbezüglich einmal näher bringen.
Warum ist es so wichtig eine Hautkrebsvorsorge zu machen?
In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 120.000 Menschen an Hautkrebs. Ca. 8.000 Menschen davon am schwarzen Hautkrebs und dem sogenannten malignen Melanom. Leider sind jedes Jahr auch über 2.000 Todesfalle zu beklagen und häufig sind dies junge Menschen. Dabei ist Hautkrebs, wenn er früh erkannt wird, zu 100% heilbar.
Wann sollte man zur Untersuchung gehen?
Prinzipiell gilt: jede Veränderung der Muttermale ist ein Alarmzeichen.
Farbveränderungen
Zu- oder Abnahme von Größe und Dicke
Änderung der Umgebung von Muttermale
Missempfindungen
Blutende Muttermale
Neuentstehende Muttermale
Um ehrlich zu sein, kann ich diese Voruntersuchung nur jedem ans Herz legen.
VG
Sarah
Ein ganz neuer Artikel aus der Münchener Uni-Hautklinik „Analysis of predictive factors….“ JAAD April 2011 zeigt noch einmal die Schwierigkeiten mit der Prognose bei positivem Sentinel-Lymphknoten auf: (CLND = Complette LymphkNoten Dissektion(Entfernung)
Results: A total of 176 (82.6%) of 213 SLN-positive patients underwent CLND. In this group, 26 patients (14.8%) showed metastatic disease in non-sentinel lymph nodes (NSLN). The 5-year overall survival (OS)was 26.1% in NSLN-positive patients and 74% in NSLN-negative patients. SLN-positive patients who refused CLND had a better prognosis than patients with CLND.
Möglicherweise bedeutet Entfernung des Lymphknotengebietes (mit möglichen Metastasen) eine Entfernung des Übungsfeldes für die Abwehrzellen mit nachfolgend schnellerem Fortschreiten der Grunderkrankung, eben weil die Zellen ungeübt sind…
Wir bekommen hier hochwissenschaftlichen Besuch – vielen Dank für den Beitrag – noch netter wäre es gewesen, Sie hätten sich geoutet.
Sie geben hier nur einen Teilergebnis der MSLT-I-Studie wieder. Sie zitieren korrekt, dass sich das Gesamtüberleben nach 5 Jahren in der SLNB-Gruppe nicht signifikant von der Beobachtungsgruppe unterscheidet. Das liegt jedoch daran, dass Lymphknotenmetastasen insgesamt selten auftraten (16% in der SLNB-Gruppe und 15,6% in der Beobachtungsgruppe) und deshalb der Überlebensvorteil im Gesamtkollektiv keine statistische Signifikanz erreicht. Vergleicht man jedoch die Patienten, bei denen sich Lymphknotenmetastasen ergeben haben, so ergibt sich ein deutlicher Vorteil in der 5-Jahres-Überlebenszeit von 72,3% zu 52,4% für die SLNB-Gruppe. Dies liegt ganz offensichlich eben genau daran, dass jede Lymphknotenmetastase zunächst einmal mit einer Mikrometastase beginnt, die ggf. schon zum Zeitpunkt der SLNB gefunden wird mit anschließender Lymphadenektomie. In der Beobachtungsgruppe dagegen wurde die Lymphadenektomie erst durchgeführt, nachdem sich klinisch ein Verdacht auf Lymphknotenmetastasen ergab. Einen Großteil dieser späteren klinischen Fälle wird man durch die SLNB schon deutlich früher erkennen, eben im Stadium der Mikrometastasierung. Selbst die Autoren dieser Studie schließen mit den Worten: „The staging of intermediate-thickness (1.2 to 3.5 mm) primary melanomas according to the results of sentinel-node biopsy provides important prognostic information and identifies patients with nodal metastases whose survival can be prolonged by immediate lymphadenectomy“.
SW