Was können wir der Haut eines Baby’s oder Kleinkindes „antun“?

By | 13. März 2010

Kosmetikprodukte werden in der Regel für Erwachsene konzipiert. Kunden sind da­her oft unsicher, welches Präparat sich für Kinder oder Babys nutzen lässt. Nicht je­des — wenn es etwa für Kinderhaut ungeeignete oder zu hoch dosierte Stoffe enthält.

Selten werden kosmetische Präparate von vorneherein für die Haut von Säuglingen und Kleinkindern entwickelt. Die Anzahl diesbezüglich ausgelobter Produkte ist gering. Pflegeprodukte aus dem Erwachsenenbereich werden daher manchmal als Notnagel benutzt. Aber ist das sinnvoll?

Kinderhaut ist anders als die von Erwachsenen. Vor allem auch Babyhaut hat eine vergleichs­weise geringe Dicke und ist sehr durchlässig. Daraus könnte man folgern, man müsse sie mittels Hautpflegepräparaten besonders inten­siv schützen. Das stimmt aber nicht. Erstens muss sich das Immunsystem entwickeln kön­nen – das heißt, die Wirkung äußerer Reize sollte nicht unterbunden werden. Zweitens wir­ken sich belastende Inhaltsstoffe auf den Orga­nismus insgesamt ungleich höher aus, da die Hautfläche vergleichsweise klein ist. Grund­sätzlich sollte die Hautpflege daher nur ein Hilfsmittel bei Defiziten sein.

Zu diesen Defiziten kann es durch die Reini­gung kommen, bei der man in Sachen Haut­schutz daher anfangen sollte. Für die Art der Reinigung gilt: So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich, um den natürlichen und bei Säug­lingen noch nicht vollständig ausgeprägten Säure- und Lipidschutzmantel zu schonen. Ein längeres warmes Schaumbad ist für die Haut­barriere nicht förderlich, ja sogar schädlich. Im Kindesalter quillt die Haut im warmen, tensid­haltigen Wasser besonders stark auf und wird dabei entsprechend ausgelaugt, je länger das Bad dauert. Ist dies der Fall, empfiehlt es sich anschließend, eine barriereaktive Pflege anzu­wenden.

Übertriebene Hygienemaßnahmen sind der Gesundheit des Kindes nicht zuträglich. Es gilt heute als erwiesen, dass extreme Reinlichkeit und übermäßige Pflege im Kindesalter mit dem Auftreten von atopischer und empfindlicher Haut in späteren Jahren korrelieren. Je öfter tensidische Reinigungsmittel angewandt wer­den, desto häufiger kommt Windeldermatitis vor.

Benutzt man nach dem Wechsel der Windel emulgatorhaltige Pflegepräparate, hilft dies meist wenig, da die natürlichen Barrierebedingungen so in der Regel nicht wiederhergestellt werden. Schonender ist die Reinigung mit rei­nem Wasser und einem geeigneten Pflanzenöl. So lassen sich Reizungen vermeiden. Aller­dings ist die Anwendung von reinen Pflan­zenölen manchmal gewöhnungsbedürftig. Pa­raffinöle haben nahezu die gleiche Reinigungs­wirkung, sind jedoch nicht physiologisch und hinterlassen letztendlich einen Oberflächenfilm, der die Entwicklung der natürlichen Hautflora stört.

Spätfolgen meiden

Für Kinder ist die direkte Sonnenbestrahlung schädlich, da die Melaninbildung vor allem im ersten Lebensjahr noch unzureichend ist. Mit­tels Sonnenpräparaten kann man die Haut zwar vor UV-Strahlung schützen, nicht aber vor IR- Strahlung (Infrarot). Bei Kleinkindern sind daher Kopfbedeckung und angemessene Kleidung die beste Alternative. Mit ihnen kann man es ver­meiden, die Haut mit UV-Filtern zu belasten. Sollen dennoch Sonnenpräparate eingesetzt werden, sind physikalische UV-Filter wie Titan­dioxid oder polymere, an der Hautoberfläche verbleibende Filter vorzuziehen, da sie die Hautbarriere nicht durchdringen können. Da aber die erforderlichen hohen Schutzfaktoren so meist nicht zu erreichen und chemische Filter daher fast unvermeidlich sind, ist zudem auf eine niedrige Emulgatordosierung oder besser auf Emulgatorfreiheit der Cremegrund­lagen zu achten. Denn insbesondere nichtioni­sche Emulgatoren fördern die Diffusion der Filter durch die Haut. Kommt es trotz aller Vor­sicht zu Lichtschäden (Erytheme), können linol­säurereiche Liposomen und regenerierende Wirkstoffe, z. B. Sonnenhutextrakt oder Leinöl, in Form von flüssigen Nanopartikeln schnell und effektiv helfen. Frühe Lichtschäden führen – trotz Regeneration – zu vorzeitiger Hautalterung und erhöhen das Hautkrebsrisiko.

Wirk- und Hilfsstoffe

Auch der Wasserhaushalt der frühkindlichen Haut unterscheidet sich von der Erwachsenenhaut. Insbesondere das Stratum corneum ist dünner und durchlässiger, die Haut trocknet leichter aus. Aus der Pharmakologie ist be­kannt, dass der Wirkstofftransport von topi­schen Arzneistoffen wesentlich schneller er­folgt, wodurch es z. B. zu stärkeren Nebenwir­kungen kommt. Die Penetrationsraten steigen durch okklusive Bedingungen – z. B. im Windel­bereich und durch dichte Kleidung – weiter an. So kommt es bei der Applikation von Vitamin-A­säure und ihren Derivaten wesentlich schneller zu Irritationen als bei Erwachsenen. Glucocorti­coide und chlorhaltige Antiseptika sind eben­falls kritische Stoffgruppen.

Diese Verhältnisse lassen sich auf kosmetische Präparate übertragen. Hier ist insbesondere Vitamin A zu nennen, das zu einem beachtli­chen Teil zu Vitamin A-säure verstoffwechselt wird. Vitamin A muss daher sehr vorsichtig dosiert werden. Gleiches gilt auch für kosmeti­sche Konservierungsstoffe. Die zugelassenen chlorhaltigen phenolischen Verbindungen und Chlormethylisothiazolinon eignen sich nicht gut zur Konservierung kindgerechter Präparate. Präparate ohne Konservierungsstoffe sind ein­deutig vorzuziehen, da generell alle Konservie­rungsstoffe, die im Anhang der Kosmetikver­ordnung gelistet sind, ein sensibilisierendes Potenzial besitzen. Dieses Problem wird durch die hohe Permeabilität der Kinderhaut noch verstärkt.

Nebenbei ist anzumerken, dass alle Verträg­lichkeitsstudien von Kosmetika an erwachsenen Probanden durchgeführt werden. Dementspre­chend liegen fast keine Erkenntnisse darüber vor, wie verträglich sie insbesondere bei Klein­kindern sind. Umso wichtiger ist es, die INCI von kosmetischen „Erwachsenen-Produkten“ genauer anzusehen, bevor sie ersatzweise zur Pflege der Kinderhaut eingesetzt werden.

Emulgatorfreie Präparate

Aufgrund der hohen Durchlässigkeit werden nicht nur Pflege- und Wirkstoffe, sondern auch Emulgatoren stärker in die Haut transportiert. Dadurch können hauteigene Barrierestoffe bei einer späteren Reinigung stärker ausgewa­schen werden. Dies trifft insbesondere für Öl-in‑Wasser-Emulgatoren zu. Daher eignen sich pflanzliche Öle bei Kleinkindern nicht nur für die Reinigung, sondern auch für die Hautpflege besser als Emulsionen. Alternativ können emulgatorfreie Barrierecremes eingesetzt wer­den, die die gleiche physikalische Struktur wie die Hautbarriere besitzen. Konservierungsmit­telfreie Produkte zeichnen sich mitunter durch eine relativ hohe Konzentration an wasserlösli­chen Stoffen aus. Dies kann bei kleinen ober­flächlichen Verletzungen der Haut zu einem kurzzeitigen leichten Brennen führen. Dies ist zwar völlig harmlos, kann aber von Kindern als unangenehm empfunden werden. In diesem Fall kann auf Oleogele ausgewichen werden, die die Pflegestoffe der oben genannten Barrie­recremes enthalten, aber wasserfrei sind.

Zu den emulgatorfreien Produkten zählen auch Hydrogele. Im Gegensatz zu den Oleogelen besteht die Matrix dieser Produkte aus einer rein wässrigen Basis.

Rötungen und andere auffällige Hauterschei­nungen sind auch bei Kindern Anlass für den Besuch beim Dermatologen. Mitunter werden zur schnellen Beruhigung der Haut hochwirk­same corticoidhaltige Salben verschrieben. Diese helfen umgehend, sind aber dauerhaft angewandt eher kontraproduktiv.

Mit einer geeigneten kosmetischen Grundpflege kann man bei entsprechend disponierter Haut aber präventiv einiges ausrichten. Es werden hauptsächlich reizfreie Präparate eingesetzt, in denen weitestgehend auf Hilfsstoffe wie Kon­servierungs- und Parfümstoffe, Emulgatoren sowie Mineralöle verzichtet wird.

Bei Barriere- und Verhornungsstörungen steht die Applikation essenzieller Fettsäuren der Omega-6 und Omega-3-Reihe als Wirkstoff­komponenten im Vordergrund. Die Öle können pur oder besser nano-dispergiert verwendet werden.

Bei aufgesprungenen Händen eignet sich Ha­mamelis-Extrakt – aufgrund seiner zusammen­ziehenden Wirkung. D-Panthenol hilft bei klei­nen oberflächlichen Verletzungen und sorgt für eine rasche Regeneration der Haut.

Dr. Hans Lautenschläger

GF Dermadividuals KoKO GmbH

2 thoughts on “Was können wir der Haut eines Baby’s oder Kleinkindes „antun“?

  1. Gabi

    Hallo, sehr interessanter Artikel. Ich verfolge das selbe Thema und warte auf mehr Posts zu dem Thema.
    Erstklassiger Beitrag. Ich freue mich auf weitere Posts dieser Art.
    Dieses Thema interessiert mich sehr, kannst Du vielleicht näher beschreiben, wie man zu weiteren Infos zu dem Thema gelangen kann?
    Ganz tolles Blog! Weiter so, ich komme sicher öfter bei Dir vorbei.

  2. Gerald Kuennemann

    Hallo,
    herzlichen Dank für den sehr informativen Artikel!
    Ich finde die Anwendung von reinen Pflanzenoelen nicht mal gewöhnungsbedürftig. Es gibt super Produkte auf dem Markt die herlich riechen, z.B. Mandeloel.
    Dem „Babybadewasser“ kann man etwas Sahne oder Muttermilch hinzufügen.

    Viele Grüße!
    Gerald Kuennemann

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